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Argumentationshilfe zum Gesetzentwurf über eingetragene Lebenspartnerschaften

"Gleiches Recht für gleiche Liebe"

erarbeitet von Tania Schink, Jusos München; leicht überarbeitet von Monica Lochner-Fischer (8.10.2000)

1. Kurzdarstellung Gesetzentwurf
2. Hintergrund: Derzeitige Situation
3. Behauptungen und deren Widerlegung

Der Bundestagsfraktion den Rücken stärken - sonst bleibt die Gerechtigkeit auf der Strecke Das Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist ein Mammutwerk. Über hundert Gesetze und Verordnungen müssen geändert werden, um für Schwule und Lesben umfassend Gerechtigkeit zu schaffen: Vom Steuerrecht bis zum Gesetz über die Krankenversicherung für Landwirte, vom Personenstandsrecht bis zum Entwicklungshelfergesetz, von der Strafprozessordnung bis zur Ausbildungsverordnung für Diätassistentinnen und Diätassistenten. Die Alternative wäre gewesen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare durch eine entsprechende Ergänzung des § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch zu sichern. Allerdings wäre dann mit noch größerem Widerstand zu rechnen.

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben am 4.7.2000 dem Gesetzentwurf zur Eingetragenen Partnerschaft zugestimmt. Die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag fand am 7.7.2000 statt. Dabei ist der Gesetzentwurf zur Beratung an die Ausschüsse verwiesen worden. Der Rechtsausschuss des Bundestages wird am 19.9.2000 eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchführen.

Da der Gesetzentwurf allerdings in einigen Teilen die Zustimmung des Bundesrates benötigt, steht möglicherweise ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat bevor.

Wird die Regelung durchgesetzt, will die CSU vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Sollte der Bundesrat einen Teil des Gesetzes blockieren, haben wiederum Homosexuellenverbände Verfassungsklage angekündigt.

1. Kurzdarstellung Gesetzentwurf

Der von der rot-grünen Koalition vorgelegte Gesetzentwurf zur eingetragenen Lebenspartnerschaft enthält folgende Kernpunkte:

* Es wird ein neues familienrechtliches Instituts für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften geschaffen, die Eintragung erfolgt beim Standesamt. Im Falle der Trennung ist ein gerichtliches Verfahren vorgesehen.

* Die Eintragung begründet gegenseitige Fürsorge- und Unterhaltspflichten, gegebenenfalls auch über das Bestehen der Partnerschaft hinaus.

* Die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften erhalten alle Möglichkeiten eines Familiennamens wie Eheleute, einschließlich der Möglichkeit eine Doppelnamens zu führen.

* Lebenspartner werden mit Eheleuten im gesetzlichen Erbrecht, bei der Erbschaftssteuer (Steuerklasse und Freibeträge), bei der Schenkungssteuer und der Grunderwerbssteuer gleichgestellt.

* Die Lebenspartnerschaft wird bei der Einkommenssteuer (Realsplitting bis zu 40.000 DM pro Jahr) berücksichtigt.

* Binationale Paare erhalten endlich Rechtssicherheit: die ausländerrechtlichen Vorschriften zum Familiennachzug für Ehegatten und die Vorschriften zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung werden für Lebenspartnerschaften entsprechend angewandt.

* Lebenspartner und deren Kinder können bei Erfüllung der Voraussetzungen beitragsfrei bei der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert Auch bei der Pflegeversicherung werden Lebenspartner Eheleuten gleichstellt.

* Die Lebenspartnerschaft wird im Dienstrecht anerkannt, die Regelungen für Ehegatten im Beamtenrecht und bei der Beamtenbesoldung finden auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung.

* Lebenspartner erhalten kleines Sorgerecht für Kinder in der Lebenspartnerschaft, d.h. sie sind befügt in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes mitzuentscheiden.

* Der Leistungssatz bei Arbeitslosengeld wird erhöht, wenn der Lebenspartner des Arbeitslosen ein Kind oder Kinder hat und der Lebenspartner wird in die Regelungen beim Bundeserziehungsgeld miteinbezogen.

* Lebenspartner werden als Familienangehörige anerkannt. Sie erhalten damit umfassende Zeugnisverweigerungs- und Auskunftsrechte. Die Verwandten eines Lebenspartners gelten als mit dem anderen Lebenspartner verschwägert.

* Mit den Rechten bringt das Gesetz selbstverständlich auch Verpflichtungen. So sind die Lebenspartner untereinander zur Fürsorge und Unterstützung, damit auch zum angemessenen Unterhalt verpflichtet.

2. Hintergrund: Derzeitige Situation

Bislang gelten gleichgeschlechtliche Lebenspartnerinnen und -partner vor dem Gesetz als Fremde, gleichgültig wie lange sie zusammengelebt haben. Sie haben nicht einmal den Rechtsstatus von "Angehörigen", d.h. selbst entfernte Verwandte haben mehr Rechtsansprüche als die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner.

Gleichgeschlechtliche Paare sind dadurch in vielen Rechtsbereichen massiv benachteiligt:

* Bei Unglücksfällen erhalten sie von Polizeibehörden, den Unfallstationen und den Ärzten über den Verbleib und den Zustand ihrer Partnerinnen und Partner oft keine Auskunft.

* Falls eine der Partnerinnen oder einer der Partner nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt haben sie, im Gegensatz zu Eheleuten, keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwecks "Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft". Zudem lehnen die Arbeitsämter bei gleichgeschlechtlichen ausländischen Partnerinnen oder Partnern zumeist die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ab.

* Partnerinnen oder Partner, deren Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt sind in der gesetzlichen Krankenversicherung des anderen Teils nicht mitversichert und sie werden wenn die Partnerin Beamtin bzw. der Partner Beamter ist, bei der Beihilfe nicht mit berücksichtigt. Partnerinnen oder Partner, die im öffentlichen Dienst tätig sind, erhalten keinen erhöhten Ortszuschlag.

* Gleichgeschlechtliche Paare haben auch bei Bedürftigkeit keinen Anspruch auf eine gemeinsame Sozialwohnung.

* Bei der Lohn- und Einkommensteuer bleiben gleichgeschlechtlichen Paaren die finanziellen Vorteile des Ehegattensplittings verwehrt. Sie können auch Unterhaltsleistungen an den anderen Teil nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen.

* Kündigt eine Partnerin oder ein Partner das Arbeitsverhältnis, um ihrer Partnerin oder seinem Partner nachzuziehen, wird das nicht als "wichtiger Grund" anerkannt und das Arbeitslosengeld wird für (zur Zeit) 12 Wochen gesperrt.

* Wird eine Partnerin oder ein Partner, die der anderen bzw. der dem anderen Unterhaltsleistungen gewährt hat getötet, braucht der Schädiger der oder dem Überlebenden keine Rente zu bezahlen, selbst wenn das Paar entsprechende Unterhalts Vereinbarungen getroffen hat.

* Verursacht eine Partnerin oder ein Partner schuldhaft einen Unfall, durch den die oder der andere verletzt wird, können private und öffentliche Versicherungsträger die Partnerin oder den Partner auf Regress in Anspruch nehmen.

* In nicht wenigen homosexuellen Lebensgemeinschaften wachsen Kinder auf. Sie stammen zumeist aus früheren heterosexuellen Beziehungen eines oder beider Partnerinnen oder Partner und werden nun gemeinsam erzogen. Es ist nicht möglich, diese Co-Elternschaft rechtlich abzusichern.

* Wenn die Partnerin oder der Partner stirbt, verfallen alle Pensions-, Versorgungs-, und Rentenansprüche da sie nicht an den anderen Teil weitergegeben werden können.

* Ohne entsprechende Verfügungen und Testamente kommt es in Todesfällen immer wieder vor, dass die Herkunftsfamilien der/s Toten die Gestaltung der Beerdigung alleine übernehmen und der überlebenden gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin oder dem Lebenspartner die Teilnahme an der Beerdigung verbieten.

* Die überlebende Partnerin oder der überlebende Partner ist nicht gesetzlicher Erbe und hat keinen Anspruch auf besondere Leistungen ("Ehegattenvoraus"). Liegt kein Testament vor, kann dem Hinterbliebenen von der Verwandtschaft seiner Freundin oder seines Freundes selbst die gemeinsame Wohnung ausgeräumt werden. Wenn sie oder er testamentarisch als Erbe eingesetzt ist, beläuft sich der Pflichtteilsanspruch überlebender Eltern der Partnerin oder des Partners auf 50%. Die Hinterbliebene Partnerin oder der Hinterbliebene Partner kommt zudem in die höchste Erbschaftsteuerklasse und hat nur einen Freibetrag von 10.000 DM. Die Summe aller Freibeträge von Ehegatten beläuft sich dagegen auf ca. 600.000 DM, sowie einen besonderen Versorgungsfreibetrag von 500.000 DM.

* Vor Gericht haben gleichgeschlechtliche Paare kein gegenseitiges Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht

* Im Bereich des Justizvollzugs wird gleichgeschlechtlichen Partnern und Partnerinnen kein den Angehörigen vergleichbares Besuchsrecht zugebilligt (§25 Nr.2 StVollzG)

Einige dieser rechtlichen Probleme treffen heterosexuelle nichteheliche Lebensgemeinschaften in gleicher Weise. Wird Mann und Frau aber die Sache zu bunt und wollen sie sich in einer bestimmten Lebensphase rechtlich absichern, können sie jederzeit die Ehe eingehen. Gleichgeschlechtliche Paare haben diese Wahlfreiheit nicht.

3. Behauptungen und deren Widerlegung

"Die ELP ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar."
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft (ELP) verstößt nach Auffassung vieler Experten nicht gegen die Privilegierung der Ehe durch Art. 6 Abs. l GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die verfassungsrechtliche Privilegierung der Ehe im wesentlichen zwei Auswirkungen: der Staat darf Ehegatten gegenüber Ledigen und unverheiratet zusammenlebenden Paaren nicht benachteiligen und er darf die Bereitschaft zur Eheschließung nicht beeinträchtigen. Der erste Gesichtspunkt scheidet hier schon deshalb aus, weil Lesben und Schwulen für ihre Lebensgemeinschaften nicht bessere, sondern gleiche Rechte einfordern. Dadurch werden Ehen nicht benachteiligt. Der zweite Gesichtspunkt, die Beeinträchtigung der Bereitschaft zur Eheschließung, hat nur für solche Lebensformen Bedeutung, die mit der Ehe konkurrieren, also für die verschiedengeschlechtlichen eheähnlichen Lebensgemeinschaften und die Ledigen. Für die Wahl zwischen Ehe oder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft ist dagegen nicht die Attraktivität dieser Lebensformen bestimmend, sondern ausschließlich die sexuelle Orientierung der Beteiligten.

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften haben in der Regel keine Kinder und unterscheiden sich deshalb grundsätzlich von Ehen.
Aus Ehe folgt nicht immer zwangsläufig Familie. Viele Ehepaare sind kinderlos und stehen weiterhin unter dem Schutz des Staates, ohne, dass ihnen eine "Zwangsscheidung" droht. Außerdem kann der Sinn der Ehe nicht nur auf die biologische Reproduktion reduziert werden.

"Die ELP ist Angriff auf die Ehe als die Keimzelle der Gesellschaft."
Diese Auffassung beruht auf einer Genderverfassung der letzten Jahrhunderte, die nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich seit Jahrzehnten überholt ist. Ehe bedeutet nicht mehr unbedingt Familie und umgekehrt: es gibt immer mehr alleinerziehende Mütter und Väter, "Patchworkfamilien" werden immer häufiger, "Erzeuger" sind nicht zwingend Ernährer und Erzieher. Die Gleichberechtigung homosexueller Paare greift nicht die Ehe an, sondern beseitigt nur bestehende Ungerechtigkeiten und legalisiert vorhandene Familienstrukturen.

"Die Ehe ist etwas anderes als eine Lebensgemeinschaft, sie ist auf Dauer angelegt" (Merz)
Homosexuelle Liebe ist eine Liebe wie jede andere auch. Entgegen herrschenden Vorurteilen gegenüber Schwulen, leben viele Homosexuelle in langjährigen und festen Partnerschaften. Zudem zeigen die Scheidungszahlen, dass Heterosexualität kein Garant stabile Beziehungen ist.

"Wir wollen keine Privilegierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften."
"Durch die ELP werden heterosexuelle Paarer benachteiligt."
Das Gesetz beeinträchtigt die Ehe nicht, gleichgeschlechtliche Paare erhalten keine Privilegien oder Sonderrechte, durch die ELP werden bestehende Ungerechtigkeiten (siehe II) beseitigt. Der Grundgedanke der Reform lautet daher "wer gleiche Pflichten wie Eheleute übernimmt, muss auch gleiche Rechte erhalten". Das soll auch der Slogan "Gleiches Recht für gleiche Liebe" zum Ausdruck bringen Die Gleichberechtigung homosexueller Paare nimmt niemanden etwas weg. Sie schafft vielmehr Rechtssicherheit für Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen. Das sollte die gesamte Gesellschaft unterstützen.

Durch die ELP entstehen hohe Kosten:
Die ELP wird sowohl zu Be- als auch zu Entlastungen des öffentlichen Haushalts führen, die sich den Erfahrungen in Dänemark, den Niederlanden, in Schweden, Island und Norwegen nach .in etwa die Waage halten werden.

Viele der Ungerechtigkeiten treffen heterosexuelle nichteheliche Lebensgemeinschaften in gleicher Weise. Die ELP diskriminiert die heterosexuellen nichtehelichen Lebensgemeinschaften gegenüber den homosexuellen Lebensgemeinschaften.
Die ELP lädt zum Missbrauch ein: Todkranke werden wegen der Witwenrente heiraten, Scheinpartnerschaften Ausländer nach Deutschland holen etc.
Angst davor, dass wenige Rechte missbrauchen, darf nicht dazu rühren, dass vielen Rechte verweigert werden. Schwarze Schafe gibt es überall und Scheinehen haben auch nicht zur Abschaffung der Ehe geführt.

"Die ELP gefährdet die Zukunft Deutschlands/der Rente"
Durch die ELP wird es nicht mehr Homosexuelle geben als vorher, allenfalls mehr die sich in der Öffentlichkeit zeigen. Es ist absurd anzunehmen, dass Heterosexuelle, die Kinder bekommen und großziehen wollten durch die Einführung der ELP ihre Meinung ändern und eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingehen!

"Die ELP ist nicht wichtig"
"Mit der ELP wird Politik für eine Minderheit von 5% gemacht."
Politik wird meist nur für verschieden kleine und großer Interessensgruppen gemacht (z.B. Kinder, Landwirte, Behinderte). Gerade die SPD versteht sich dabei als "Lobby der Lobbylosen". Außerdem kommen zu den geschätzten 5% Homosexuellen noch die Eltern, Geschwister und Kinder hinzu, die auch von der Rechtsunsicherheit betroffen sind. Laut einer Focus-Umfrage sind sogar 76% der Bevölkerung für die rechtliche Gleichstellung. Außerdem ist die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften auch ein Gradmesser für den Stand der Bürgerrechte. Es ist einer demokratischen Gesellschaft nicht zuträglich, wenn einem Teil der Bürgerinnen und Bürger wichtige Rechte vorenthalten bleiben. Homosexuelle wollen nicht von der Gesellschaft nur geduldet und toleriert, werden, sondern mit gleichen Rechten und Pflichten als. Staatsbürger mitten in dieser Gesellschaft leben und akzeptiert werden.

 


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